10 Tage Wahnsinn - Teil 5

…ich verschlief weitere Tage und wenn ich ins Bad ging, vermied ich den Blick in den Spiegel. Ich spürte instinktiv, dass mein Zustand zunehmend besorgniserregend war. Dieses ungreifbare Gefühl einer Leere. Gleichgültigkeit, Trauer und Antriebslosigkeit bestimmten meine weiteren Tage. Es fiel mir zunehmend schwerer, meiner Familie und meinen Freunden ein halbwegs stabiles Außenbild zu vermitteln. Heimlich ahnte ich, dass sich meine Gedanken mittlerweile fern ab von einem gesunden Menschenverstand befanden. Daran änderte auch die größte Anstrengung nichts.

 

Ich: „Ich würde lügen, wenn ich Dir nicht sagen würde – was zur Zeit in meinem Kopf vorgeht!“

Er: „Leider würdest du es.“

 

Spätestens hier hätte mir klar werden sollen, dass mein Zustand bereits eine kritische Phase erreicht hatte. Es war mir stets ein Grundbedürfnis offen und ehrlich mit

meinen Menschen zu kommunizieren. Dass dieses Grundbedürfnis im Laufe der Zeit

immer mehr an Wertigkeit verloren hatte, bemerkte ich einst gar nicht.

 

Es war später Nachmittag. Ich hatte meinen Schmerz mit Alkohol betäubt. In der Hoffnung, dass mein Gedanken -Karussell stoppt und ich etwas Ruhe finden würde. Doch statt Ruhe zu finden, wurden meine Gedanken zunehmend konfuser. Die Lust auf ein Ende stieg mit jedem Schluck. Inzwischen wurde es Abend und ich fühlte mich wohl in der Dunkelheit. Unbewusst unterstrich ich mit jedem Glas Wein meine psychotischen Gedanken.

 

Im Rausch suchte ich den Weg ins Badezimmer. Ich öffnete die rechte

Seite meines Spiegelschranks und griff ziellos nach einer Tablettenpackung.

Ohne Notiz von der Medikation zu nehmen, öffnete ich die Packung und drückte einige Tabletten aus der Verpackung raus. Ich griff nach meinem Glas und schluckte diese dann mit Wein hinunter. Schnell überkam mich ein wohliges Gefühl. Eine angenehme Müdigkeit kam auf. Mein Körper fühlte sich zunehmend schwerer an und ich suchte den Weg aus dem Bad, ging in die Küche und setzte mich dort auf den Fußboden. Meinen Rücken am Schrank angelehnt, schoss mir plötzlich diese eine Frage durch den Kopf. Willst du Leben?

Natürlich fand ich zum gegenwertigen Zeitpunkt keine Antwort und widmete

mich deshalb schnell wieder meinen psychotischen Gedanken. Ich begann zu

grübeln. Das fürchterliche am Grübeln ist nur, dass man dabei nie zu einem Ergebnis

erlangt. Es fühlt sich wie ein Spaziergang auf einem Laufband an. Du kommst nicht vorwärts.

 

Ich stellte mich auf. Im Wahn zog ich in meine Küchenschublade auf und griff nach einem Küchenmesser. Ich setzte das Messer an und schnitt mit der Messerspitze in meinen linken Unterarm. Es tat weh, aber ich spürte währenddessen, dass

ich am Leben war. Ich sah dabei zu, wie einzelne Stellen anfingen zu bluten.

Die Schnittwunden fingen an zu brennen. Ich empfand den Anblick dieser

Schnittwunden als eine gelungene Visualisierung meines Seelenleidens.

Ich fühlte mich zunehmend schwächer und konnte nicht mehr unterscheiden ob das an der Kombination aus Alkohol und Tabletten lag, oder vielleicht doch nur ein Schrei

meiner Seele war. Ich zog mein Handy aus der Tasche, schrieb ein paar Zeilen

und klickte auf „senden“.

 

Einmal Hölle und zurück – ich erzähl dir meine Geschichte.

 

Fortsetzung folgt!

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