In Sicherheit

 

Nur langsam wurde mir bewusst, wo ich mich gegenwärtig befand. Der Stationsarzt verabschiedete sich und schloss hinter sich die Tür. Ich saß auf meinem Bett. Meine Augen zugeschwollen vom Weinen und nur wenig Stunden Schlaf. Ich blickte mich im Raum um. Der Raum hatte jedoch nicht viel zu bieten. Mein Bett, ein Linoleumboden, vier weiße Wände und eine Videokamera, an einer Wand befestigt, die auf mein Bett gerichtet war. Ich fühlte mich sehr unwohl und beobachtet und entschloss mich deshalb, das Zimmer zu verlassen. Als ich das Zimmer verließ, machten sich plötzlich zwei Krankenpfleger mit wedelnden Armen auf den Weg zu mir. Sichtlich erschrocken und irritiert blieb ich auf dem Gang stehen. Mir wurde nahegelegt, mich wieder in mein Bett zu legen, da mein gesundheitlicher Zustand noch nicht stabil sei. Mir fehlte in diesem Moment tatsächlich die Fähigkeit, selbst einzuschätzen wie mein derzeitiges Befinden überhaupt gewesen sein mag. Und was bedeutet überhaupt „stabil“?

 

Ich drehte um und sichtete dabei einen Patienten dieser Station. Der Anblick war äußerst erschreckend. Der Mann schien fern ab von einer gesunden, geistigen Verfassung zu sein und murmelte nur unverständliches Zeug vor sich her. Weißer Schaum umrandete seine Mundwinkel, und er schaute mich mit glasigen Augen und gleichzeitig auch mit einem leeren Blick an. Ich war sofort verängstigt, wich seinen Blicken aus und ging zurück auf mein Zimmer. Ich schmiss mich aufs Bett und fing an zu weinen. Ich konnte nicht verstehen, weshalb ich mich überhaupt auf dieser Station und/oder überhaupt im Krankenhaus befand. Ich fühlte mich nicht annähernd so hilfsbedürftig, wie mir auf dieser Station so manch anderer Patient erschien. Kurzum: Mir fehlte die Einsicht für mein Befinden.

 

Meine Schwester brachte mir Kleidung und Waschutensilien. „Erst mal nur für ein paar Tage“, sagte sie mit angeschlagener Stimme. Dass sie sich in dieser Situation mindestens genauso unwohl fühlte wie ich, war ihr deutlich anzusehen. Ich suchte in diesem Moment nicht nach einem Gespräch, sondern empfand einfach nur unendlich viel Dankbarkeit - allein dafür, dass sie da war.

 

„Erst mal nur für ein paar Tage“ . Immerzu musste ich an diesen Satz denken. Wie lange würde ich wohl hier bleiben müssen, dachte ich?! Ich rechnete mit 3 oder maximal 5 Tagen. Bis dahin würde ich mich erholt haben und zu Kräften gekommen sein. Dass ich weitaus mehr Tage im Krankenhaus verbringen würde, wollte ich zu dem Zeitpunkt nicht wahrhaben.

 

Zum Abend brachte mir ein Pfleger einen Tee und etwas Brot. Zusätzlich hatte er zwei kleine, weiße Pillen in einem Behälter dabei. Er nannte den Namen und die Wirkung des Medikaments. Ich hatte schon wieder nichts verstanden, nickte einfach nur nahm und beide Pillen zeitgleich ein. Er verließ den Raum und kam mit Verbandszeug wieder. Er versorgte vorsichtig die Schnittwunden an meinem Handgelenk und verband dieses dann im Anschluss.

 

Ich verspürte weder Hunger noch Durst. Ich legte mich wieder ins Bett und griff nach meinem Handy. Ich versuchte ein wenig zu rekonstruieren, was in der Nacht zuvor geschehen war, denn ich wies noch immer Wissenslücken auf. Egal, wie sehr ich mich auch bemühte: Vieles bleibt bis heute im Verborgenen.

 

Einmal Hölle und zurück – ich erzähl dir meine Geschichte.

 

Fortsetzung folgt!