(M)ein Leben im Überfluss

Das Schöne an einem Klinikaufenthalt ist, dass du für eine überschaubare Zeit deinen Alltag, deine Freunde und deine Familie verlässt und plötzlich alles ruhiger einhergeht. Therapeuten nennen dieses Spektakel „Entschleunigung“.

 

Es liegt an einem selbst, wie viel man von seiner Außenwelt in die Klinik mitnimmt oder gar rein lässt. Ich hatte für mich entschieden, so wenig wie nur möglich mit reinzunehmen. Im Laufe der Zeit hatte selbst mein Handy immer mehr an Bedeutung für mich verloren. Trotzdem würde ich aus heutiger Sicht, einen stationären Aufenthalt anders gestalten.

 

Es war Sommer – nicht, dass die Jahreszeit eine besondere Rolle während einer Depression spielen würde, aber ich spürte sehr langsam, dass es mir besser gehen würde. Ich führte viele Gespräche mit den Bewohnern meiner Station und den Psychologen, ging mit denen spazieren und schlenderte hin und wieder auch mal in den nah gelegenen Supermarkt.

 

Ich erinnere mich wie gestern: Ich stand vor der überdimensionalen Eingangstür des Marktes, grelles Licht schien auf den Produkten und all die Menschen wirkten hektisch und angespannt. Nur zögerlich betrat ich den Laden und konnte das breite Angebot an Obst und Konserven nur schlecht ertragen. Der Supermarkt spiegelte für mich ein grausam geführtes Shop-Management wider. Grausam, weil in unserer Konsumgesellschaft nachwievor gilt: „Nachfrage bestimmt Angebot.“ Einkaufen im Überfluss! „Sortimentsvielfalt“ würden das wohl stolze Shop-Manager nennen. Krank!! „Warum gelingt es Menschen nur schwer, sich auf wesentliche Dinge zu beschränken und Inne zu halten? Das Leben ist schnelllebig, hektisch und laut. Hier gehöre ich nicht hin.“ Ich bezahlte meinen Einkauf und verließ ziemlich angespannt den Laden. Noch auf den Parkplätzen konnte ich beobachten wie junge Muttis ihre großzügigen Einkäufe in deren Familien-Van laden und im Geiste wahrscheinlich schon den nächsten Markt anpeilten.

 

Ich lief mit meinem Einkaufsbeutel Richtung Klinik zurück und verschanzte mich dort zunächst in meinem Zimmer. Ich freute mich über die Schlichtheit des Zimmers, über meine übersichtlichen Mitbringsel und über diese Ruhe. Ich bemerkte ziemlich schnell, dass mein Nervenkostüm für die Außenwelt noch viel zu rissig und dünn war. Das machte mir zu Beginn richtig Angst, denn ich begann mich zu fragen, wie ich denn vorher bloß ein Leben auf der Überholspur führen konnte.

 

Ich fing an Freunden von meinen Wahrnehmungen zu berichten, doch schnell spürte ich, dass diese gar nicht im Stande dazu sind das nachzuempfinden, was mich so erschreckte – steckten sie doch mittendrin im Überfluss.

 

Es war Mittagszeit. Ich war hungrig und noch immer aufgewühlt. Ein Pfleger kam freudig auf mich zu. „Sie haben morgen Visite – wenn es Ihnen weiterhin besser geht, können Sie die Klinik bald schon verlassen“, sagte er. Ich fühlte mich wie vor dem Kopf gestoßen. Kaum hatte ich mich ein kleines bisschen erholt, so würde ich auch schon wieder der Gesellschaft zum Fraß vorgeworfen werden. Ich schüttelte nur mit dem Kopf und antworte: „Bitte nicht!“….

 

Einmal Hölle und zurück – ich erzähl dir meine Geschichte.

 

Fortsetzung folgt!

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Janarenko (Freitag, 09 März 2018 16:44)

    Genau so ging es meiner Frau auch. Als man ihr sagte, sie könne bald nach Hause, stürzte sie nochmal ab.

  • #2

    Moni (Donnerstag, 19 April 2018 16:08)

    Schade, dass du deine Geschichte nicht weiterschreibst..
    Goodbye und alles Gute